Annapurnaumrundung (Heribert Erbes) März/April 2019

Die anspruchsvollste Trekkingtour im Himalaya

Bei der Anmeldung zur klassischen Annapurnaumrundung, im Oktober 2018 beim Summit Club des Deutschen Alpenvereins, ist mir noch nicht richtig bewusst, auf was ich mich da eingelassen habe. Aber allmählich wird mir dann klar, dass es eine recht anstrengende Unternehmung werden würde, diese anspruchsvollste Trekkingrunde im Himalaya, inmitten von gigantischen Sechs-, Sieben- und Achttausendern, im mächtigsten Gebirge der Erde. Als ich dann auch von ärztlicher Seite "die Freigabe" erhalte, gibt es kein zurück mehr und ich nehme Ende März 2019 die 17-tägige rund 200 Kilometer lange Route mit über 20.000 Höhenmetern (inkl. Abstiege) "unter die Sohlen" (Dauer insgesamt 21 Tage).
Zusammen mit sechs weiteren "Bergfreaks" aus ganz Deutschland  (Andreas, Christoph 1, Christoph 2, Detlef, Frauke, und Nils) starten wir, nach endloser Busanreise von Kathmandu, in Bhulbule auf rund 900 Metern, noch im subtropischen Klimabereich. Von dort aus geht es tagtäglich in 10-15 Kilometer-Etappen, mit durchschnittlich 900-1.200 Meter Auf- und Abstiegen, im strammen Marsch durch verschiedene Klimazonen, ständig weiter nach oben.
Zur Hälfte der ersten Woche wechseln wir dann vom hinduistisch geprägten Landschaftsbild in den buddhistischen Religionsbereich, was vor allem an den zahlreichen Gebetsfahnen und Gebetsmühlen sichtbar wird. Statt Reis und Mais begrüßen uns zunehmend Hirse-, Kartoffel,- Gersten- und Buchweizenfelder, die alle von Hand und mit Tieren bestellt werden. Immer mehr zieren die im tibetischen Stil errichteten Flachdachhäuser die Hochgebirgslandschaft.  Die um diese Jahreszeit leuchtend rot blühenden Rhododendren-bestände ergänzen sich farbenprächtig mit verschiedenen Grüntönen von Mischwäldern, den moosbedeckten Talböden, sowie in weiteren Farben blühenden Pflanzen. Auf der ganzen Tour begleitet uns das freundliche "Namasté" (Willkommen) der Einheimischen.
Vorbei an der fast 7.000 Meter hohen weißen Lamjunggruppe  rückt rechterhand zuneh-mend der 8.156 Meter hohe majestätische  Manaslu (Achthöchster Berg) in unser Blickfeld. Bei sehr schönem Wetter erhöht sich dabei die Frequenz des Fotografierens. Die Landschaft wird zunehmend karger und felsiger und ich genieße linkerhand die ersten "Riesenzacken" des Annapurnamassivs, die fast 8.000 Meter hohen Annapurna II und Annapurna IV.
Wichtig ist, dass ich in meinen Körper hinein höre und mich auch richtig ernähre. Schließlich soll mir die Gewöhnung an die ständig zunehmende Höhe so gut wie möglich gelingen. Krank werden sollte man in diesen Regionen am besten nicht. Öfter wird uns abends das nepalesische Nationalgericht  "Dal Bhat" gereicht, bestehend aus Reis, Linsen, Tomaten, Zwiebeln und gebackenen Fladen, gewürzt mit Chili, Ingwer und Koriander, dazu zum Trinken verschiedene Teesorten, aber auch heimisches Bier (Everest, Gurka, Namasté). Auf die Ernährungsumstellung muss sich natürlich auch der Körper sukzessive einstellen, was mir einigermaßen gut gelingt. Mitgebrachte Kraftriegel sind mir dabei hilfreich.
Die Vegetation reduziert sich auf Laatschen- und Kiefernbestände und schließlich nur noch auf verschiedene Wachholderarten und Blutberberitze. Zunehmend steuere ich jetzt auf den Höhepunkt meiner Unternehmung zu, der Überquerung des "himmelhohen", 5.416 Meter hohen Thorong-Sattels, als Höhenscheitel zwischen dem Marsyangdi- und dem Kali Gandaki- Tal. Als letzte Akklimatisierung werden noch einmal 1.200 Höhenmeter, hinauf auf 4.700 Meter in einem Rutsch, absolviert. Dabei gilt es, recht knifflige Stellen (Abgründe) zu meistern. Unsere nepalesischen Führer Dil und Tram sind mit mir als ältester Teilnehmer (67 Jahre)  sehr zufrieden. Auch mein lädiertes linkes Knie hält gut durch. Jetzt fällt die Entscheidung, ob es (mit Träger) wieder zurück geht, oder ob man bei der Überquerung des höchsten aller Pässe dabei ist. Mit all meinen Sinnen bin ich fokusiert auf das Gelingen.
Vor dem Sonnenuntergang ein letzter ehrfurchtsvoller Blick hinüber zur 7.500 Meter hohen Gangapurna, dieser gewaltig schönen Felswand. Auf dem auf 4.500 Meter hoch gelegenen "Yak Alm- Thorong Pedi- Lager" erwartet mich sodann eine kurze und frostige Nacht, bevor es bereits um 4 Uhr morgens mit Stirnlampe hinein in den letzten großen Aufstieg geht. Bei ordentlichen Minusgraden kommt unsere Gruppe gut voran, ich selbst fühle mich in besserer Verfassung, als noch tags zuvor. Die steilsten Passagen liegen im ersten Drittel der Route. Wir haben sie im frühen Morgengrauen überwunden. In meiner Thermosflasche ist noch nicht gefrorener Tee und ich trinke behutsam davon. Ich spüre noch Reserven in mir, was auch die Führer erkennen. Anderen geht es weniger gut. Ab 5.200 Meter darf ich alleine weiter ziehen und schon um 8 Uhr stehe ich ganz oben auf dem Sattel in mitten von flatternden Gebetsfahnen. Ich werde beglückwünscht von weiteren Bergfreunden aus anderen Ländern und bin einfach nur froh, alles so gut überstanden und mir einen Lebenstraum erfüllt zu haben. Auch die Anderen unserer Gruppe kommen alle ohne (mitgeführtes) Sauerstoffzelt hoch.
Bei herrlicher Aussicht geht mein Blick in südliche Richtung, in die so nahe, aber doch so schwierige und einsame Gipfelwelt des Annapurna I, dem Namensgeber der Tour, dem mit 8.091 Meter zehnthöchsten Berges der Erde, der von den Franzosen Herzog und Lachenal im Juni 1950 erstmals bestiegen wurde. Nur ca. 170 Mutige haben bisher den Gipfel erreicht. Ebenso viele kamen beim Besteigungsversuch um´s Leben, vor allem durch Lawinenabgänge.
Der 1.700 Höhenmeter mitunter extrem steile Abstieg, hinunter in den mystischen Wallfahrtsort Muktinat, ist genauso fordernd, wie der Weg hinauf, gilt es doch in dem weicher gewordenen Schnee so manche nicht ungefährliche Klippe zu überwinden. So durchqueren wir auch Lawinenabgänge in denen Bäume wie Marionetten gefangen sind. Aber getragen von dem Glücksgefühl der gelungenen Überquerung, meistere ich auch diese Herausforderungen ohne Sturz.
Ich erfahre viel über die "Spielregeln" des Buddhismus. Die Religion bestimmt in hohem Maße das Alltagsleben der Menschen. Sie sind noch immer tief verwurzelt in ihren seit Jahrhunderten praktizierten Ritualen und Traditionen. Dabei spielten und spielen die Elemente der Natur immer eine besondere Rolle. Sie werden in bunten Farben symbolisiert.
Die Errungenschaften der modernen Zeit, einschließlich des digitalen Vormarsches, lassen jedoch die Kluft zwischen Vergangenheit und Gegenwart ständig größer werden, was nicht nur günstige Auswirkungen für die hier Lebenden hat. Für mich ist dies eine weitgehend fremde  und geheimnisvolle Welt, die ich gleichwohl ehrfürchtig verfolge und dabei versuche, so viel wie möglich von ihr zu verstehen. Mehrere Besuche in Klöstern und Tempeln auf der gesamten Tour erweitern meinen Horizont.
Durch recht gefährliche, extrem tiefe Schluchten, in Verbindung mit der Überwindung von schwankenden Hängebrücken, geht es weiter bergab. Eine Strecke mit dem Kleinbus, auf ganz schmalem Weg am steilen Abgrund, sorgt dabei für einen besonders unruhigen Atem. Es folgen lange, kräftezehrende Märsche in wildem, schlüpfrigem Dschungelgebiet, auf denen uns auch Affen und eine bunte akustische Vogelwelt begleiten.
Noch einmal geht es in einem Abstecher hinauf zum "Poonhill", auf 3.200 Meter.  Von dort oben habe ich beim Sonnenaufgang einen einmaligen Blick auf die geballte Kulisse der großen Berggiganten dieser Region. Als fast übermächtig zeigt sich hier der Dhaulagiri, der mit 8.167 Meter siebthöchste Berg. Ich bin gefangen im Staunen und Innehalten.
Durch Magnolien- und Rhododendrenwälder und auch wieder zunehmende Landwirtschaft (völlig ohne Maschinen), geht es weiter bergab in Richtung Ende der Tour. Tausende Felsen-treppen gilt es dabei hinter sich zu lassen. Dies geht doch ordentlich in die Beine. Der Abschiedsabend in den Bergen wird auf 1.400 Meter feucht fröhlich und musikalisch tanzend begangen. Es ist auch der Abschied von unseren treuen Trägern, die uns zweieihalb Wochen lang unser Gepäck ohne Zwischenfälle von Hütte zu Hütte geschleppt haben. Unsere Gruppe hat funktioniert und gemeinsam ihr Ziel erreicht.
Nach einem Inlandflug von Pokhara nach Kathmandu erlebe ich noch zwei entspannte Tage in der Zweimillionenhauptstadt und komme dabei im Hotel Annapurna Schritt für Schritt wieder zurück in die Zivilisation. Der ungeregelten Verkehrsbelastung (samt Emissionen) möchte ich auch nicht länger ausgesetzt sein. Ich besorge mir einen Stadtführer, der mir sehr kenntnisreich Besonderheiten dieser nepalesischen Metropole individuell näher bringt. Noch einmal bin ich fasziniert von der Einmaligkeit dieses kleinen Landes, gelegen zwischen den Giganten China und Indien.

Ein üppiges Abschiedsessen in einem schmucken Gartenrestaurant ist ein würdiger Abschluss einer in vielerlei Hinsicht extremen Unternehmung, von der ich lange nicht geglaubt hätte, dass ich sie in meinem Alter noch so erfolgreich durchführen könnte. Gesund zu Hause angekommen, brauche ich jedoch einige Zeit der Erholung.
P. S:  Dass "oben am Thorong", zwei Wochen zuvor, im Schneesturm zwei Österreicher erfroren sind, war eine traurige Mitteilung für mich, was mich für die gesunde Rückkehr umso dankbarer sein lässt.


Der höchste Punkt der Unternehmung ist erreicht, der 5.415 Meter hohe "Thorong".
        

 

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