Historischer Ortsrundgang Spiesheim
Hofgut Erbes
Das Haus entspricht, von der ursprünglichen Anordnung her, einer ganz typisch fränkischen Hofanlage. Wohnbereich, Stallungen, Scheune, Kelterhaus, Hof und Hoftor bilden eine geschlossene Einheit. Die Grundmaße sind noch immer unverändert. Im Wohnbereich ist sogar die ursprüngliche Bausubstanz erhalten.
Es waren immer wieder Kriege und Belagerungen, die seit vielen Jahrhunderten die Menschen unserer Heimat zu einer Bauweise zwangen, die Schutz bot - wie bei diesem Haus - und die unter anderem auch zu dem sogenannten "Haufendorf" führte, wofür Spiesheim ein gutes Beispiel ist.
Erbaut wurde dieses Anwesen um 1680, wahrscheinlich von Michael Diefendäler. Nach Aufzeichnungen von Lehrer Adolf Diehl hatte Spiesheim im Jahre 1681 45 Häuser mit 215 Einwohnern, (davon 43 Männer, 44 Frauen 53 Jungen und 75 Mädchen). Ein im Erwerbsleben stehendes Ehepaar hatte im Durchschnitt 5-6 Kinder. Neben den Bauern gab es noch zwei Wirte, einen Schmied, einen Schneider, einen Küfer, einen Maurer und einen Leineweber sowie einen Knecht und eine Magd. Spiesheim litt damals noch sehr unter den Auswirkungen des 30-jährigen Krieges (1618-1648).
Um 1720 wird als Besitzer Johannes Steyl genannt. Im Jahre 1900 kaufte Georg Jung (1870-1920), Urgroßvater des heutigen Eigentümers, das Anwesen von einer Witwe Steil. Er bewirtschaftete mit seiner Ehefrau Margarethe, geb. Mühl (1860-1939), einen landwirtschaftlichen Betrieb mit etwas Weinbau. Alle Gebäude wurden gründlich renoviert und Nebengebäude auch teilweise neu errichtet.
Georg Jung fuhr u.a. über viele Jahre mit dem Pferdefuhrwerk die Milch des Dorfes zum Wörrstädter Bahnhof. August Jung (1902 – 1994), Sohn von Georg Jung, führte den Betrieb von 1920 – 1922 alleine und ab 1923 mit seiner Ehefrau Eliese Jung geb. Jacobs (1898-1982) als landwirtschaftlichen Gemischtbetrieb mit der damals üblichen Tierhaltung. August Jung hatte vor allem auf dem Gebiet der Pferdezüchtung und Pferdehaltung einen guten Namen.
August Jung 1976 mit Pferd und "Plugskarre". Eliese Jung am Fenster
Friederike Erbes, geb. Jung, einziges Kind der Eheleute Jung, ist in diesem Haus 1927 geboren und wohnt ihr ganzes Leben lang hier. Friederike Erbes betrieb mit ihrem Ehemann Alfred Erbes (1926 – 1980) seit 1949 einen landwirtschaftlichen Gemischtbetrieb, mit zunehmend weinbaulicher Ausrichtung. Alfred Erbes war in vielfältiger Weise für die Gemeinde Spiesheim und den bäuerlichen Berufsstand aktiv.
Heutiger Eigentümer ist Heribert Erbes (geb. 1951), Sohn von Friederike und Alfred Erbes, der zusammen mit Ehefrau Sybille (geb. Deyle/geb. 1953), seit 1980 den Betrieb ausschließlich auf Weinbau mit Direktvermarktung ausrichtete. Für seine Erzeugnisse wurde der Betrieb national und international ausgezeichnet. Für sein ehrenamtliches Engagement erhielt Heribert Erbes vielerlei Ehrungen, darunter das Bundesverdienstkreuz am Bande, die Theodor-Heuss-Medaille in Gold und die Ehrenmedaille des Landes Rheinland-Pfalz.
Hofgut Erbes 2016
Seit 2011 ist das Anwesen als schützenswert ausgewiesen. Nicht zuletzt wegen seiner Ecklage an exponierter Stelle im alten Ortskern, von Norden und Osten von weitem einzusehen, seit 2011 auch direkt am Jakobspilgerweg gelegen, ist das gut restaurierte Anwesen jedes Jahr aufs Neue ein Objekt für die Presse. Unter anderem wurde der Innenhof in den Medien als "Schmuckstück" bezeichnet. 1983 war das Haus Gewinner des Fassadenwettbewerbes des Landkreises.
Das gesamte Anwesen erfuhr in verschiedenen Publikationen mehrfach Belobigungen, unter anderem als schönstes Haus der Gemeinde.
In der dem Baustil angepassten Weinprobierstube fühlt man sich bei einem Glas Wein in ältere Zeiten zurückversetzt. Besonders interessant sind darin freigelegte Steine. Auf einem davon ist der Abdruck einer Muschel deutlich zu erkennen, welche die maritime Vergangenheit des Standorts (ehemals Mainzer Becken, Tertiär) authentisch belegt.
Text L15: Heribert Erbes – Oktober 2016
Bilder: Erich Dexheimer / Fam. Erbes